Fridays For Future Würzburg


Zurück | Deutsch | English

Rede von Seebrücke Würzburg

auf dem Globalen Klimastreik am 14.11.2025

Mein eigener Hintergrund hat mir eine tiefgreifende Wahrheit gelehrt: Bewegung ist kein Verbrechen.

Meine Geschichte, wie die Geschichten unzähliger anderer, ist eine Geschichte des Aufbruchs, weil Bleiben unmöglich war. Weil uns eine von Ungleichgewicht definierte Welt keine andere Wahl ließ. Und ich möchte, dass wir uns daran erinnern, warum Menschen fliehen. Man sagt uns, sie suchen nach Möglichkeiten, aber wir wissen, die Wahrheit ist viel dunkler. Die Krise, mit der wir heute konfrontiert sind, ist kein Zufall, sondern eine inszenierte Krise.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) hat vor den drastischen Auswirkungen des Klimawandels auf Millionen geflohene Menschen weltweit gewarnt. Drei Viertel dieser Menschen lebten in Ländern, in denen die Folgen des Klimawandels besonders drastisch zu spüren seien. In den vergangenen 10 Jahren wurden dem UNHCR zufolge bereits rund 250 Millionen Menschen durch wetterbedingte Katastrophen innerhalb eines Landes vertrieben. Der Lärm aus dem Bundestag in Berlin von der „Migrantenkrise“, das Gerede von der „Belastung“ und der Ruf nach mehr Rückführungsmaßnahmen versucht uns einzureden, die ankommenden Menschen an den Grenzen seien das Problem. Nein, wir sind nicht eure Sündenböcke! Die Regierung versucht, die deutsche Zivilgesellschaft von den wahren Ursachen abzulenken. Die Krise sind nicht die Menschen, die ankommen; die Krise ist die globale, wirtschaftliche und klimatische Gewalt, die sie zur Flucht zwingt. Die wahre, verborgene Ursache ist die Maschinerie von Profit und Konsum, die unsere Welt definiert. Die Stabilität und der unglaubliche Reichtum von Nationen wie Deutschland wurden durch Kolonialismus, Ausbeutung und Rohstoffgewinnung ohne Rücksicht aufgebaut. Seit Jahrzehnten behandelt der Globale Norden weite Teile der Welt als massive Opferzonen (sacrifice zones), indem Land und Menschen ausgebeutet und zum Beispiel Kinder in den schrecklichen Minen in Kongo versklavt werden, um Kobalt abzubauen, damit der globale Norden elektronische Geräte und Elektrofahrzeuge haben kann und die Atmosphäre mit Kohlenstoff füllt. Und wer zahlt den Preis? Die Marginalisierten - die Menschen, die am wenigsten zur Katastrophe beigetragen haben. Wenn die Heimat einen nicht mehr ernähren kann, wenn die Jahreszeiten einen verraten, dann sprechen wir von Zwangsaussiedlung. Das ist Wirtschafts- und Umweltkriegsführung. Die Bundesregierung reagiert darauf mit einer zynischen, zweigleisigen Strategie – einer grausamen Sortiermaschine, die darauf abzielt, Kapital zu sichern und gleichzeitig die Vertriebenen zu bestrafen. Auf der einen Seite rollen sie Menschen den roten Teppich aus und priorisieren die neue Work-and-Stay-Agentur. Für Fachkräfte sind die Grenzen offen. Sie sind die „erwünschten Migrant:innen“, die als wirtschaftlicher Nutzen betrachtet werden. Auf der anderen Seite starten sie die Rückführungsoffensive. Für die Familien, die vor genau jenen Bedingungen fliehen, an deren Entstehung die deutsche Regierung selbst beteiligt ist, wird die Tür zugeschlagen. Deutschland hatte nie eine „Migrationskrise”. Es hat eine Rassismuskrise, und genau das sollten wir hier ansprechen.

Die dubiosen Deals mit Regimen in Libyen, Sudan und der Türkei blockieren gewaltsam die Routen nach Norden. Dadurch finanziert die Grenzkontrolle nicht nur die Instabilität und die Milizen, die massive Vertreibung und Menschenrechtsverletzungen verursachen, sondern dies geschieht, damit Europa billige Mineralien und Ressourcen sichern kann, während die Opfer unsichtbar bleiben. Das System ist darauf ausgelegt, Mobilität zu kriminalisieren und von Chaos zu profitieren; eine Transaktion, die Entwicklungshilfe und Waffenexporte nutzt, um eine Mauer der Unsichtbarkeit um die Festung Europa zu errichten. Das ist keine humanitäre Unterstützung, sondern ausgelagerte Gewalt. Doch wenn Menschen aus eben diesen gewaltvoll geschaffenen Verhältnissen fliehen müssen, sprecht ihr vom "Ausnutzen der Sozialleistungen" oder von "Wirtschaftsflüchtlingen", lasst sie im Mittelmeer ertinken und gar auf sie schießen? Die Heuchelei und Gewalt kennen kein Ende. Die Wahrheit ist, es gibt keine Ausnutzung der Sozialleistungen, sondern nur einen Mangel an Menschlichkeit!

Während die Bundesregierung Afghanen mit fünfstelligen Summen zum Einreiseverzicht drängt, plant sie gleichzeitig Abschiebungen durch Abkommen mit den Taliban – welche für die Hinrichtung von Menschen und die systematische Unterdrückung von Frauen bekannt sind – während ein ähnlicher Deal mit dem syrischen Regime erwogen wird. Die Rechtfertigung für Abschiebungen: Man schicke ja nur "Kriminelle" zurück, während die abgrundtiefe Grausamkeit und die lebensgefährlichen Konsequenzen dieser Entscheidungen für die Abgeschobenen eiskalt ignoriert werden

Und für alle die Menschen hier, die das an dieser Stelle hören müssen: uns interessiert nicht das populistische Geschwätz, dass nur Straftäter*innen abgeschoben würden. Keine Straftat auf dieser Welt kann es rechtfertigen, mit einem Terror-Regime zu kooperieren, das seine Bevölkerung verfolgt und öffentlich hinrichtet. Die deutsche Regierung gibt vor, Terror zu bekämpfen, und arbeitet dafür mit Terroristen zusammen. Abschiebungen verhindern keine Gewalt, sie sind Gewalt.

Wir können nicht über den Klimawandel sprechen, ohne über Rassismus und Migration zu sprechen. Das System, das nichts gegen die Klimakatastrophe unternimmt ist das gleiche System, das Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt. Wir dürfen bei all dem nicht tatenlos zuschauen. Es reicht nicht aus, bunte Schilder zu basteln und damit auf Demos gegen die AfD oder dem Klimastreik zu posieren.

Wir aus der Zivilgesellschaft müssen aktiv werden. Damit meinen wir auch ganz explizit die Zivilgesellschaft hier in Würzburg. Die rassistische Politik betrifft nicht nur Menschen, von denen wir in den Nachrichten lesen. Sie betrifft mich. Sie betrifft meine Familie, meine Freundinnen, meine Geschwister. Sie betrifft eure Nachbarinnen, Menschen, denen ihr jeden Tag im Alltag begegnet, Menschen, die an der Supermarkt-Kasse neben euch stehen.

Deshalb: Setzt euch ein! Seid nicht nur stumme Zeug*innen! Wenn ihr nicht wisst, wie ihr euch engagieren könnt, sprecht uns von der Seebrücke gerne später an oder kontaktiert uns per Mail oder Instagram. Nehmt am solidarischen Bargeldtausch teil, der jetzt auch hier stattfindet, damit geflüchteten Menschen, die eine Bezahlkarte haben, etwas mehr Selbstbestimmung gegeben werden kann.

Wir sagen: Es braucht Solidarität. Solidarität mit allen, deren Existenz durch die menschenfeindliche, zerstörerische deutsche Politik immer mehr in Gefahr ist.